Wir Therapeut:innen, Berater:innen und Coaches stehen oft im Zentrum stürmischer emotionaler Landschaften. Wir sind die Felsen in der Brandung für unsere Klient:innen. Doch wer kümmert sich um unseren eigenen inneren Kompass? Gunther Schmidt, der Begründer der hypnosystemischen Therapie, betont immer wieder: Selbstfürsorge ist nicht optional, sondern die Grundlage unserer Handlungsfähigkeit und inneren Balance.
Warum ist das so wichtig? Weil wir nur dann wirklich wirkungsvoll arbeiten können, wenn unser eigenes „Gefäss“ gefüllt ist. Es geht darum, nicht auszubrennen, sondern zu strahlen.
Die Kunst der Selbstreflexion: Auf die Meta-Ebene wechseln
Gunther Schmidt lehrt uns, über uns selbst nachzudenken, während wir in Aktion sind. Er nennt das die Meta-Ebene der Reflexion. Es geht nicht nur um das, was wir tun, sondern vor allem wofür und wie wir es tun. Diese bewusste Beobachtung unserer eigenen Haltung, unserer Denk-, Gefühls- und Verhaltensmuster ist eine Form der Selbstfürsorge. Sie gibt uns die Möglichkeit, innezuhalten und zu entscheiden, ob wir mit unseren Handlungsweisen noch auf einem hilfreichen Weg für Klient:innen sind. Indem wir unsere eigenen Verhaltensmuster erkennen, gewinnen wir Freiheit und neue Wahlmöglichkeiten.
Den eigenen Wert anerkennen und die Selbstbeziehung pflegen
Ein starkes Fundament für unsere Arbeit ist unser eigener Selbstwert. Wir sind die Expert:innen unseres eigenen Erlebens. Dieser Gedanke stärkt nicht nur unsere Kompetenz, sondern auch unser Urteilsvermögen. Es ist wichtig, sich selbst liebevoll und mitfühlend zu behandeln. Anstatt uns ständig selbst zu kritisieren, können wir uns auch innerlich anerkennen und wertschätzen für all das, was wir tagtäglich leisten. Ein bewusster Akt des Mitgefühls uns selbst gegenüber kann uns eine immense innere Unterstützung und Kraft bieten.
Ressourcen aktivieren: Der Schlüssel zu mehr Gelassenheit
In Phasen der Überforderung fällt es leicht, den Blick auf das zu richten, was fehlt. Doch der ressourcenorientierte Ansatz erinnert uns stets daran: Ressourcen sind immer vorhanden. Unser Schlüssel liegt darin, uns bewusst zu machen, welche Stärken und Fähigkeiten wir bereits besitzen. Dieses ressourcenorientierte Mindset hilft, das Gefühl der Überforderung zu mindern und unser Vertrauen in die eigene Selbstwirksamkeit zu stärken. Es ist eine Haltung, die uns von innen heraus nährt.
Praktische Übung: die innere Ressourceninsel
Um die Verbindung zu unseren eigenen Ressourcen zu stärken, empfehlen wir eine einfache, aber kraftvolle Übung. Sie nutzt die Kraft innerer Bilder und Metaphern.
So geht’s:
- Vorbereitung: Nehmen Sie sich 10 bis 15 Minuten Zeit für sich. Finden Sie einen ruhigen Ort, schliessen Sie die Augen und atmen Sie ein paar Mal tief durch.
- Sicherer Raum: Stellen Sie sich einen Ort vor, an dem Sie sich absolut sicher und geborgen fühlen. Das kann ein realer oder ein Ort sein – ein sonniger Strand, eine Waldlichtung, eine gemütliche Hütte. Spüren Sie die Details: die Wärme, die Geräusche, die Atmosphäre.
- Ressourcen verankern: Auf dieser „Insel“ stellen Sie sich nun vor, wie all Ihre positiven Erfahrungen, Stärken und Fähigkeiten Sie umgeben. Visualisieren Sie sie als Schätze oder leuchtende Perlen. Sammeln Sie Ihre Schätze im Bewusstsein, dass diese Ihnen immer wieder Kraft gegeben haben.
- Innere Ansprache: Sprechen Sie innerlich mit einer freundlichen, wertschätzenden Stimme zu sich selbst. Sagen Sie sich zum Beispiel: „An diesem sicheren Ort habe ich Zugang zu all meinen Fähigkeiten und kann mich jederzeit stärken.“
- Integration: Nehmen Sie ein paar bewusste Atemzüge, um dieses Gefühl von Ruhe und Stärke zu verankern. Nehmen Sie die positive Energie mit in Ihren Alltag, bevor Sie die Augen wieder öffnen.
Diese Übung dient als regelmässiger Reminder, dass die wichtigsten Ressourcen für unsere Arbeit bereits in uns selbst liegen. Indem wir uns um uns selbst kümmern, werden wir nicht nur bessere Begleiter für andere, sondern auch ein Leuchtturm für uns selbst.