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Psychologie Award 2024: Zwei Pioniere geehrt

Die Psychologie-Welt jubelt: Der erste Innovationspreis für angewandte Psychologie wurde am 28. September 2024 im KKL Luzern übergeben. Die Fachjury bestehend aus renommierten Vertreter:innen von privaten, unabhängigen Instituten oder Verbandsvertretern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz hat eine nicht leicht fallende Entscheidung getroffen.

Bei der diesjährigen Preisverleihung wurden gleich zwei herausragende Persönlichkeiten geehrt. Prof. Dr. Ulrich Clement und Klaus Eidenschink erhielten den renommierten Psychologie Award 2024.

Wer sind diese beiden Vordenker und was haben sie für die angewandte Psychologie geleistet?

Prof. Dr. Ulrich Clement wurde für sein Lebenswerk ausgezeichnet, Klaus Eidenschink hat den Psychologie Award 2024 erhalten.

=> Gerne geht es hier zum Video der Award Verleihung: https://vimeo.com/1011599686/e14b7df48a?share=copy

Zu Prof. Dr. Ulrich Clement

Professor Ulrich Clement ist ein renommierter Wissenschaftler, exzellenter Lehrer und ein äußerst beliebter, erfolgreicher Sexualtherapeut. Seine Bücher, darunter das Standardwerk zur systemischen Sexualtherapie, haben Generationen von Therapeuten und Interessierten inspiriert. Seine klare und anschauliche Sprache sowie seine Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge verständlich zu machen, zeichnen ihn besonders aus. Mit seinem Buch „Systemische Sexualtherapie“ (2004) entwickelt Clement einen systemischen Ansatz für die Sexualtherapie. Er betont, dass sexuelle Probleme oft im Beziehungsgefüge zu verstehen und zu lösen sind, anstatt sie nur als individuelle Störungen zu betrachten. Er beschreibt darin, wie Paare durch Kommunikation und gegenseitige Unterstützung ihre Sexualität verbessern können.

Damit schlug er einen Paradigmenwechsel bei der Behandlung sexueller Störungen vor. Er konzentriert sich nicht primär auf die sexuelle Funktion, sondern auf die Entwicklung des individuellen sexuellen Profils und die Kommunikation der beiden Partner über ihre jeweiligen sexuellen Profile. Sein systemischer Ansatz versucht, Sexualität nicht isoliert als „Funktionsstörung“ zu betrachten, sondern in den gesamten Kontext der Partnerschaft einzubetten, was eine ganzheitlichere und oft effektivere Behandlung ermöglicht.

Ein Meilenstein in seinem Schaffen ist zweifellos die Intervention „So können sie es auch machen“. Diese Intervention ist ein Paradebeispiel für Clements pragmatischen und lösungsorientierten Ansatz. Aber auch Spielinterventionen wie «sexuelles Desinteresse vorspielen» und «richtig schlechten Sex praktizieren» ordnen wir Ulrich Clement zu.

In seiner langjährigen Tätigkeit als Therapeut hat Ulrich Clement unzähligen Menschen geholfen, ihre sexuelle Gesundheit zu verbessern und ein erfüllte(re)s Liebesleben zu kreieren. Seine Arbeit ist geprägt von einer großen Empathie und einem tiefen Verständnis für die menschliche Psyche sowie einer sympathischen Neugier.

In seinem Buch „Wenn Liebe fremdgeht“ ermöglicht Ulrich Clement einen neuen Blickwinkel auf das Thema Affären. Anstatt Affären als Zeichen einer gescheiterten Beziehung zu verurteilen, plädiert er für einen offeneren Umgang mit diesem komplexen Thema.

Clement argumentiert, dass Affären oft Symptome tiefer liegender Probleme in einer Beziehung sind und nicht unbedingt das Ende bedeuten müssen. Er fordert Paare auf, offen über ihre Bedürfnisse und Wünsche zu sprechen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen.

Kernpunkte seiner Argumentation:

  • Affären als Symptom: Clement sieht Affären als Ausdruck unerfüllter Bedürfnisse oder als Zeichen von Problemen in der Beziehung.
  • Vielfalt von Beziehungen: Clement plädiert für eine größere Offenheit gegenüber verschiedenen Beziehungsmodellen, auch solchen, die nicht auf exklusiver Sexualität basieren.
  • Offene Kommunikation: Ehrliche Gespräche zwischen den Partnern sind für Clement der Schlüssel zur Lösung vieler Beziehungsprobleme.
  • Verantwortung übernehmen: Sowohl der betrogene als auch der betrügende Partner müssen ihre Rolle in der Situation reflektieren und Verantwortung übernehmen.
  • Neustart nach einer Affäre: Eine Affäre muss nicht das Ende einer Beziehung bedeuten. Mit der richtigen Unterstützung können Paare eine neue, stärkere Beziehung aufbauen.

Professor Clement hat sich unermüdlich dafür eingesetzt, das Tabu um Sexualität zu brechen und ein offeneres Gesprächsklima zu schaffen. Er hat komplexe Themen wie Paarprobleme, sexuelle Störungen und die Auswirkungen gesellschaftlicher Veränderungen auf unsere Sexualität wissenschaftlich fundiert und gleichzeitig verständlich aufgearbeitet.

In einem Interview 2015 bezeichnete Clement authentische Sexualität als höchstes Gut. Damit meint er, dass jede Person sich zeigen kann, wie sie ist. Partner können sich einander zumuten und sollen auch aushalten, einander zugemutet zu sein.

Für sein Lebenswerk, seine wissenschaftlichen Leistungen und seinen unermüdlichen Einsatz für eine offene und aufgeklärte Sexualität danken wir Professor Ulrich Clement von ganzem Herzen.

Zu Klaus Eidenschink

Klaus Eidenschink ist mehr als «nur» ein Organisationsberater und Senior-Coach. Mit seiner warmherzigen, direkten Art und dem Studium der Theologie, Philosophie und Psychologie schafft er schnell Vertrauen und eine offene Atmosphäre, in der sich Menschen entfalten können. Seine fundierten Ausbildungen gepaart mit langjähriger Erfahrung in der Beratung ermöglichen es ihm, tiefgreifende Einblicke in die Dynamiken von Organisationen und Teams zu gewinnen. Als Senior Coach im DBVC und Gründer des HEPHAISTOS Coaching-Zentrums in München hat er zahlreichen Führungskräften und Teams erfolgreich bei der Bewältigung von Herausforderungen unterstützt und zu Entwicklungen in Organisationen beigetragen. Ob es um die Lösung von Konflikten, die Gestaltung von Veränderungsprozessen oder die Entwicklung von Führungskompetenzen geht – Klaus Eidenschink findet stets maßgeschneiderte Lösungen.

Seine Fähigkeit, komplexe Themen verständlich darzustellen, zeigt sich in seinen Büchern wie „Die Kunst des Konflikts“ oder „Es gibt keine Narzissten! Nur Menschen in narzisstischen Nöten». Sein innovativer Ansatz „Die Metatheorie der Veränderung“ hilft Organisationen dabei, sich erfolgreich an neue Herausforderungen anzupassen und diese zukunftsfähig zu gestalten.  

Klaus Eidenschink schreibt in seinen einführenden Erläuterungen zur Metatheorie für theoretisch Interessierte, die Metatheorie der Veränderung unternimmt den Versuch, Zusammenhänge zwischen sehr verschiedenen Phänomenen (Psyche, Gruppen, Organisationen und Konflikten), sehr verschiedenen Beratungsformaten (Coaching, Organisationsberatung, Teamentwicklungen, Managementtrainings, Konfliktmoderation und Psychotherapie) und sehr verschiedenen Disziplinen (Psychologie, Soziologie, Organisationstheorie, Systemtheorie, Wissenschaftstheorie, Erkenntnistheorie) zu denken. Wenn man dies denkerisch in Angriff nimmt, braucht es eine Perspektive, welche die nicht bewältigbare Komplexität dieses theoretischen wie praktischen Geländes reduziert.

Im Zentrum der Metatheorie steht die Annahme, dass alle Systeme (Personen, Gruppen, Organisationen) ständig Entscheidungen treffen und diese Entscheidungen die Grundlage für Veränderung darstellen. Systeme stehen deshalb unter Entscheidungszwang, weil sie entweder so weiter machen wie bisher oder etwas Neues tun. Sie können nicht nicht entscheiden. Die Entscheidungen sind der Motor, der Veränderungen antreibt.

Klaus Eidenschinks umfassende Theorie der Veränderung bietet einen vielschichtigen Rahmen, um Veränderungsprozesse in Personen, Gruppen und Organisationen zu verstehen und unterstützend zu begleiten.

Entscheidungen als Schlüssel zur Veränderung

Jede Entscheidung, die ein System trifft, basiert auf einer Auswahl zwischen verschiedenen Möglichkeiten. Diese Auswahl wird wiederum von den sogenannten „Leitunterscheidungen“ des Systems beeinflusst. Diese Leitunterscheidungen sind gewissermaßen die Filter, durch die ein System die Welt wahrnimmt und Entscheidungen trifft.

Was also sind einige der wichtigeren Prinzipien einer metatheoretischen „Praxis“?

Prinzip 1: Es gibt keine Rezepte für die Veränderung von Systemen.

Prinzip 2: Wie man etwas anwendet, ist entscheidender als das, was man tut.

Prinzip 3: Man macht keine Versprechungen darüber, wo der Kunde durch Beratung hinkommt.

Prinzip 4: Es geht bei metatheoretischer Beratung immer um die zentrale Frage: Schränkt ein System seine Freiheit zu wählen ein?

Prinzip 5: Für den Fall, dass das Klientensystem seine Freiheit einschränkt (und nur dann braucht es Beratung), braucht es ein Verständnis davon, wo (=Leitprozesse), wie (=Entscheidungsmuster), wieso (=Funktion) und mit welchen Folgen (=Symptome) es das tut.

Prinzip 6: Eine Veränderung der Irritationsfähigkeit geht bei psychischen und sozialen Systemen einher mit der Fähigkeit, Phänomene zu benennen.

Prinzip 7: Jede Intervention braucht (mindestens) einen Bezug zu (mindestens) einem Leitprozess.

Prinzip 8: Auf theoretischer Ebene macht Erkennen blind. Auf praktischer Ebene erzeugt Handeln Schäden.

Prinzip 9: Erfolg ist nicht stabilisierbar und meßbar.

Prinzip 10: Prozessmusterwechsel haben immer die alte Stabilität gegen sich. Veränderung ist also immer ambivalent.

Die Rolle des Beraters, der Beraterin

Diese spielt in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle. Die Aufgabe von Beratungspersonen besteht darin, die Entscheidungsprozesse seiner Klient:innen zu unterstützen und zu fördern. Dabei geht es nicht nur darum, Lösungen anzubieten, sondern Klient:innen dazu zu befähigen, ihre eigenen Lösungen zu finden.

Komplexität von Veränderungsprozessen

Veränderungsprozesse sind komplex und nicht linear. Sie sind geprägt von Unsicherheit, Ambivalenz und Widerstand. Beratende müssen in der Lage sein, mit dieser Komplexität umzugehen und die Klient:innen dabei zu unterstützen, die Herausforderungen des Veränderungsprozesses zu meistern.

Wichtige Aspekte für die Beratungspraxis

Die Metatheorie von Klaus Eidenschink liefert zahlreiche praktische Implikationen für die Beratungspraxis. Einige der wichtigsten Aspekte sind:

  • Sicherheit in der Unsicherheit: Veränderungsprozesse sind oft mit Unsicherheit verbunden. Beratende müssen den Klienten ein Gefühl von Sicherheit vermitteln.
  • Intensität: Veränderung erfordert Engagement und Intensität. Beratende müssen Klienten dazu motivieren, aktiv an dem Veränderungsprozess mitzuwirken.
  • Unabhängigkeit: Beratende müssen in der Lage sein, eine unabhängige Perspektive einzunehmen und Klienten auch kritische Rückmeldungen geben.
  • Unbefangenheit: Beratende müssen offen sein für neue Ideen und Perspektiven und bereit sein, bestehende Denkweisen zu hinterfragen.
  • Auftragsklärung und Komplexität: Eine klare Definition des Beratungsauftrags ist entscheidend. Dabei muss die Komplexität der Situation berücksichtigt werden.
  • Veränderungsnachteile: Jede Veränderung hat auch negative Konsequenzen. Diese müssen offen angesprochen werden.
  • Die Bedeutung des Ausgeschlossenen: Beratende müssen nicht nur das Offensichtliche betrachten, sondern auch das, was nicht gesagt wird oder bewusst ausgeblendet wird.
  • Zusammenspiel von Sach-, Sozial- und Zeitdimension: Veränderungsprozesse sind immer eingebettet in soziale und zeitliche Zusammenhänge.
  • Veränderungsprozess und Komplexität: Veränderungsprozesse sind komplex und nicht immer vorhersehbar.

Wir danken Klaus Eidenschink herzlich für sein «Werk» der Metatheorie der Veränderung, die einen umfassenden und tiefgründigen Rahmen für das Verständnis von Veränderungsprozessen bietet. Die Metatheorie der Veränderung betont die Bedeutung von Entscheidungen, die Komplexität von Systemen und die Rolle der Beratenden als Begleiter:in und Unterstützer:in. Diese Theorie ist für alle Beratenden sehr hilfreich, die Menschen und Organisationen bei Veränderungsprozessen unterstützen möchten.

Wer die Award-Show und die Laudatio von Dr. Gunther Schmidt für Klaus Eidenschink (Gewinner Psychologie Award 2024) und die Laudatio von Ursula Fuchs für Dr. Ulrich Clement (Gewinner Psychologie Award für sein Lebenswerk) verpasst hat, kann das hier gerne nachholen: www.psychologie-award.com

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