Die Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) fokussiert sich auf zwei Hauptziele: Akzeptanz und Commitment, also das Bekenntnis zu einer Sache, und zwar eine Sache, die für uns Bedeutungsvoll wie erfüllend ist. Ihr Ansatz besteht darin, belastende Gedanken und Gefühle anzunehmen, anstatt sie zwanghaft verändern zu wollen. Im Gegensatz zu anderen Therapieformen liegt der Schwerpunkt nicht darauf, die Gedankeninhalte zu ändern, sondern darin, einen neuen Umgang mit ihnen zu finden und sich auf persönliche Werte zu konzentrieren.
Im Rahmen der ACT lernen Klienten/Coachees verschiedene Strategien, um flexibler mit ihren psychischen Belastungen umzugehen. Dazu gehört das Akzeptieren von unveränderbaren Gefühlen und Gedanken, da der Kampf dagegen oft zu verstärkten belastenden Emotionen führt. Die Identifizierung persönlicher Werte und das Bekenntnis dazu hilft dabei, eine Richtung im Leben zu finden, sich für sie zu „commiten“ und gegen belastende Gedanken anzukämpfen. Die Distanzierung von negativen Gedanken, auch „Defusion“ genannt, ermöglicht es, sich von ihnen zu lösen und zu erkennen, dass man mehr ist als seine Gedanken und Gefühle. Ein weiterer Aspekt ist die Betonung der Gegenwärtigkeit, also sich bewusst auf den gegenwärtigen Moment zu konzentrieren (Achtsamkeit), um belastende Gedanken und Gefühle zu reduzieren. Durch diese verschiedenen Strategien sollen Klienten/Coachees dazu befähigt werden, ein erfüllteres und authentisches Leben zu führen, indem sie sich auf das Wesentliche konzentrieren und belastende Gedanken in den Hintergrund treten lassen.
Interview mit Siang Be
wilob: Was genau ist die Akzeptanz- und Commitment-Therapie?
Siang Be: Die Akzeptanz- und Commitment-Therapie, kurz ACT, ist eine neuere Form der Psychotherapie, und inzwischen auch Coaching, die sich aus der Verhaltenstherapie entwickelt hat. Sie basiert auf zwei Säulen: Akzeptanz und Commitment.
wilob: Kannst du die beiden Säulen etwas genauer erläutern?
Siang Be: Gerne. Akzeptanz bedeutet in diesem Zusammenhang, dass wir lernen, unsere Gedanken und Gefühle, die wir nicht ändern können, so zu akzeptieren, wie sie sind. Das heißt nicht, dass wir sie gutheißen oder mögen müssen, sondern einfach, dass wir sie als Teil unseres Lebens anerkennen. Es geht darum, einen psychologischen Abstand zu unseren Gedanken und Gefühlen zu gewinnen, sie als Vorübergehend und nicht als bedrohlich zu betrachten.
wilob: Und was ist Commitment?
Siang Be: Commitment bedeutet, dass wir uns auf unsere Werte und die damit verbundenen Ziele im Leben festlegen und unser Handeln danach ausrichten. Das gibt uns eine Richtung und hilft uns, auch in schwierigen Zeiten motiviert zu bleiben. Es geht darum, ein Leben zu führen, das sinnvoll und erfüllend für uns ist, auch wenn es manchmal mit Herausforderungen verbunden ist.
wilob: Wie funktioniert die ACT in der Praxis?
Siang Be: In der ACT lernen Kliente/Coachees verschiedene Strategien, um mit ihren Gedanken und Gefühlen umzugehen. Dazu gehören zum Beispiel:
- Achtsamkeitsübungen: Diese Übungen helfen uns, unsere Gedanken und Gefühle zu beobachten, ohne sie zu bewerten. Wir lernen, unsere Aufmerksamkeit auf den gegenwärtigen Moment zu lenken und unsere Wahrnehmung zu schärfen.
- Akzeptanzübungen: Diese Übungen helfen uns, unsere Gedanken und Gefühle so zu akzeptieren, wie sie sind. Wir lernen, innere Widerstände gegen unangenehme Erfahrungen loszulassen und Gelassenheit zu entwickeln.
- Wertklärung: In diesem Prozess finden wir heraus, was uns im Leben wirklich wichtig und bedeutungsvoll ist. Wir erkunden unsere intrinsischen Werte und identifizieren die damit verbundenen Ziele, die uns im Leben leiten und motivieren.
- Verhaltensaktivierung: Diese Strategie hilft uns, aktiv zu werden und Dinge zu tun, die uns wichtig sind, auch wenn wir uns nicht gut fühlen. Wir lernen, Handlungskompetenz zu entwickeln und unsere Schritte in Richtung unserer Ziele zu gehen.
wilob: Für wen ist die ACT geeignet?
Siang Be: Die ACT ist ein allgemeiner Therapieansatz und kann daher bei vielen verschiedenen psychischen Problemen eingesetzt werden. Sie hat sich unter anderem bei Depressionen, Angststörungen, chronischen Schmerzen und Essstörungen bewährt. Darüber hinaus kann ACT auch bei burnout, Stress und Lebensthemen wie Entscheidungsfindung und Sinnfindung hilfreich sein.
wilob: Was sind die Vorteile der ACT?
Siang Be: Die ACT hat mehrere Vorteile:
- Sie ist eine wissenschaftlich fundierte Therapieform mit einer hohen Wirksamkeit.
- Sie ist relativ kurzfristig und effektiv.
- Sie kann auch in Selbsthilfegruppen oder Online-Kursen angewendet werden.
- Sie hilft uns, ein erfüllteres und sinnvolleres Leben zu führen.
- Sie stärkt unsere psychische Flexibilität und Resilienz.
- Sie fördert Selbstakzeptanz und Mitgefühl.
wilob: Kannst du uns ein konkretes Beispiel geben, wie ACT in der Praxis angewendet wird?
Siang Be: Nehmen wir an, wir haben in der Therapie einen Klienten mit einer Angststörung. Dieser Klient hat Angst vor bestimmten Situationen, zum Beispiel vor Fahrten mit der Bahn. In der ACT würden wir zunächst mit dem Patienten daran arbeiten, seine Angst zu akzeptieren. Wir würden ihm erklären, dass es völlig normal ist, Angst zu haben, und dass es nichts Falsches daran ist, diese Angst zu fühlen.
wilob: Und wie würde es dann weitergehen?
Siang Be: Im nächsten Schritt würden wir mit dem Klienten daran arbeiten, seine Werte und Ziele im Leben zu identifizieren. Was ist ihm im Leben wirklich wichtig? Was möchte er erreichen? Sobald der Klient seine Werte und Ziele klar definiert hat, können wir ihm helfen, sein Handeln danach auszurichten.
wilob: Was würde das in diesem Fall konkret bedeuten?
Siang Be: In diesem Fall würde es bedeuten, dass der Klient sich entscheiden müsste, ob er sein Leben weiterhin von seiner Angst bestimmen lassen möchte, oder ob er seinen Werten und Zielen folgen möchte. Wenn er sich für seine Werte und Ziele entscheidet, müsste er aktiv werden und Dinge tun, die ihm wichtig sind, auch wenn er dabei Angst hat.
wilob: Wie ist es im Coaching? Im Coaching haben wir nicht mit psychischen Störungen zu tun, sondern mit Schwierigkeiten eher im beruflichen Alltag?
Siang Be: Das ist die Frage, allerdings arbeiten Coaches nicht mit einer störungsorientierten psychiatrischen Diagnostik.
ACT ist vor allem für Coaching ein passendes Konzept, weil ACT sich als Transdiagnostisches Konzept versteht.
Psychische Probleme und Störungen werden mithilfe einer begrenzten Anzahl nicht pathologischer kognitiver und behavioraler Prozesse erklärt, die die einzelnen Störungen bedingen und aufrechterhalten. Aus der ACT/ACC-Perspektive ist menschliches Leiden größtenteils das Ergebnis normaler psychischer Vorgänge, die man schwer kontrollieren oder verhindern kann.
Aus einer ACT/ACC Perspektive kann das, was in anderen Konzepten als Psychopathologie betrachtet wird, als Folge von Vermeidung von Erfahrung konzeptualisiert werden.
=> Wer mehr darüber wissen möchte: CAS in Akzeptanz und Commitment Coaching