Vielleicht haben Sie es gelesen, die Erfolgsfirma Netflix gibt Entlassungen bekannt: Wegen Krieg, Inflation, Wettbewerb. Die Entlassungen von rund 150 „tollen Kollegen“ seien „hauptsächlich durch die Bedürfnisse des Unternehmens und nicht durch die individuelle Leistung“ begründet. Netflix gilt als Firma, die ihren Erfolg auf #Firmenkultur begründet.
Als im Jahr 2001 die Dotcom-Blase platzte, musste Netflix-Gründer und -CEO Reed Hastings bereits im Jahr 2001 einen Drittel seiner Belegschaft entlassen, um nicht innert kürzester Zeit in Konkurs zu gehen. Was erst schrecklich schien, hat sich als Vorteil erwiesen: die Angestellten trieben sich gegenseitig zu Höchstleistungen an. Das sei ein Wendepunkt für sein Führungsverständnis gewesen, schreibt Hasting.
Nach dem Motto „weniger ist mehr“ war nun sein Ziel, nur noch die allerbesten Leute zu beschäftigen. Eines seiner Erfolgsgeheimnisse seither: Netflix entlässt jährlich 8% der Belegschaft. Dies aber eben gerade wegen der individuellen Leistung. Wer nicht brilliert, muss gehen. Das Ziel: nur hochmotivierte Leute zu beschäftigen. Kann das dem heutig gewünschten Führungsstil entsprechen – führen auf Augenhöhe? Verursacht die ständige Befürchtung, seinen Job zu verlieren, nicht zu viel an Stress und schafft eben Distanz, Machtgefälle und kann blockieren?
Führung auf Augenhöhe kann zwar auch Stress verursachen und verunsichern. Die Studie „Leader humility and team creativity: The role of team information sharing, psychological safety, an power distance“ zeigte nämlich, dass Teamleiter, die bescheiden auftreten und die Ideen der Mitarbeiter:innen wertschätzen, so die Kreativität bei der Lösungsfindung fördern. Aber das gilt offenbar nur, wenn die Mitarbeiter:innen eine geringe Machtdistanz erwarten. Erwarteten diese eine dominante Führung, dann bewirkte es das Gegenteil und die Mitarbeiter:innen zögerten sogar die Initiative zu ergreifen und eigene Ideen zu entwickeln. Die Führung auf Augenhöhe ist deshalb vielleicht auch kein Führungsrezept für jede Lebens- und Gemenlage.
Aber ein Führungsprozess auf Augenhöhe kann durchaus gelingen, wenn die Mitarbeiter:innen sich selbst freiwillig zu den notwendigen Aufgaben verpflichten. Menschen wollen sich entfalten, lernen und selbstbestimmt arbeiten. Das ermöglicht Netflix, indem sie z.B. kein Ferien- und Spesenreglement haben. „Wer Angestellte wie Erwachsene behandelt, kann auch davon ausgehen, dass sie sich wie solche verhalten.“ Man kann also durchaus frei und selbstbestimmt seiner Arbeit nachgehen, nur wenn man das nicht der Firmenleitung entsprechend tut, kann man auch zu dem Anteil der Belegschaft gehören, die am Ende vom Jahr auf der Strasse steht. Trotzdem: Die aussergewöhnliche Führungskultur hat Netflix zu einem erfolgreichen Unternehmen gemacht und lädt zum Nachdenken ein.
Was denken Sie dazu? Wie wünschenswert und wie langfristig erfolgreich sind Firmen, in denen jedes Jahr 8% der Belegschaft gekündigt wird? Ist die Talentdichte (wo man nur die allerbesten Leute mit Talent und Motivation einstellt) wirklich so entscheidend für den Erfolg des Unternehmens? Und wollen alle Menschen überhaupt auf Augenhöhe geführt werden? Was sehen Sie als Vor-, was als Nachteil einer solchen #Führungskultur?
Literatur:
Wir bieten am wilob neu ein CAS in lösungsorientierter Führung an. Interesse? Wir würden uns freuen, Sie bald wieder am wilob begrüssen zu dürfen.