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Eigenes Erleben überzeugt ja ohnehin immer mehr!

Aus hypnosystemischer Sicht wird das jeweilige Erleben (hauptsächlich auf unwillkürlicher Ebene) eines Menschen durch ihn selbst erzeugt. Man kann diese «Erlebnisproduktion» beschreiben als «ebnen» eines Netzwerks von Erlebniselementen. Dazu gehören z.B. die Art, wie man etwas beschreibt, wie man es benennt, erklärt, bewertet usw. Diese Prozesse der Art der Beschreibung usw. beeinflussen aber auf unbewusster, unwillkürlicher Ebene auch immer physiologische Prozesse, wie z.B. die Atmung, die Körperkoordination, ja sogar Stoffwechselprozesse.

Und ebenso bewirken sie, welche inneren Bilder/ inneren «Filme», emotionale Reaktionen, welcher Ort im inneren, unbewusst gestalteten «Erlebnis- Raum» gewählt wird, an dem man auf unbewusster Ebene einen inneren «Film» lokalisiert und welche Nähe-/ Distanz- Regulierung zu diesen «Filmen» man herstellt. Diese Erkenntnisse sind in der Hypnotherapie, der hypnosystemischen Arbeit, aber auch im NLP lange bekannt und haben z.B. im NLP auch zum Konzept der «Timeline»- Arbeit geführt.

Damit kann man auch jeweils schnell zeigen, dass es niemals der Inhalt einer Botschaft, eines Erlebnisses (auch nicht eines massiven Traumas) und natürlich auch nie der Inhalt eines Problems selbst ist, welcher das damit einhergehende Erleben bewirkt, sondern immer die Beziehung, die der Beobachter zu diesen Phänomenen herstellt.

So kann man z.B. in wenigen Minuten die sehr leidvolle Wirkung schlimmster vergangener Erlebnisse oder extrem ängstigender Zukunftsphantasien durch entsprechende Interventionen sehr effektiv und nachhaltig in befreiendes Lösungserleben transformieren. Dafür (natürlich unter sorgfältiger Beachtung des Auftrags, der wertschätzenden Pacing- Gestaltung etc.) braucht man nur einzuladen zu intuitivem Nachspüren, von wo im unbewussten inneren Erlebnisraum diese Erinnerung auf die Person einwirkt (oder von wo z.B. eine massiv abwertende «Antreiber»- Stimme wie «Du bist nicht wert, Du schaffst es nie» etc.). Abwertende Antreiber- Botschaften werden z.B. oft intuitiv von hinten oben erlebt, wenn man durch Fragen danach das vorher unbewusste Erleben wieder mehr bewusst macht (und damit assoziiert oft als «drückend», «klein machend», schlagend»).

Verändert ein:e Klient:in dann imaginativ diese Position der wahrgenommenen Phänomene (indem er sie z.B. vor sich und weiter weg ansiedelt), ändert sich sofort sein Erleben, Erleichterung kehrt ein, die Perspektive weitet sich und die physiologische Reaktion und die Körperkoordination wird sofort gelöster, lockerer usw. Der betreffende Mensch verändert damit sofort wirksam seinen «Ich- Zustand» (Ego state), er/ sie wird buchstäblich zu jemand Anderem, sein «Lösungs- Ich» wird aktiviert.

Das beweist ganz klar, dass es niemals der Inhalt eines Phänomens, also auch keiner Problemschilderung, keines «problem talks» ist, der die Wirkung bestimmt. Ich habe solche Aspekte, die ja Ausdruck von Dissoziationstechniken sind, ausführlicher beschrieben in einigen meiner Publikationen (Schmidt 2004, Schmidt 2005 a, Schmidt 2005 b). Und die Ergebnisse der Hirnforschung und der Embodiment- Forschung (Grawe 2005, Hüther, Storch et.al. 2007) belegen das ja auch eindrücklich.

Solche Erkenntnisse ermöglichen uns dann aber auch viele Chancen für hilfreiche Interventionen und helfen beim Auflösen ungünstiger Zwickmühlen, die durch die Ideologie (!) «problem talk leads to problems, solution talk leads to solutions» entstehen. Hier nur zwei wichtige Aspekte:

1.) Wenn man mit (K) arbeitet, die noch massiv assoziiert sind mit Leid und ihrem Problemerleben, oder die (linear-kausal denkend) glauben, man müsse erst einmal lange und detailliert ihre Probleme besprechen und verstehen, bevor man eine Lösung entwickeln könne, oder wenn jemand sich danach sehnt, dass endlich jemand sieht und würdigt, wie schlimm es bei ihnen ist, erleben diese (K) ein schnelles und stringentes Fokussieren auf Lösungserleben als abwertend, missachtend. Das hat negative Auswirkungen auf die Kooperationsbereitschaft. Außerdem erleben viele (K) so einen wichtigen Teil ihrer Vergangenheit entwertet und erleben sich dadurch geschwächt.

Mit den oben geschilderten Erkenntnissen ist es überhaupt kein Problem, kann sogar optimal genutzt (utilisiert) werden, wenn man mit jemand «problem talk» macht. Voraussetzung aber: man muss den (K) erläutern, dass es ungünstig wirken kann, wenn sie wie bisher über ihr Problem reden. Wenn man sie dann einlädt, zunächst eine optimale Beobachter- Position aufzubauen, dazu eine Kraft gebende, sie schützende Körperkoordination einzunehmen, das «Problemerleben» in ihrer Vorstellung so weit weg zu schieben, dass sie aus sicherer Position darüber reden können und dabei sogar Kraft, Schutz, Flexibilität etc. erleben können, ist diese nur noch ein «problem talk» auf inhaltlicher Ebene, bei dem aber kontinuierlich neue «Erlebnis-Netzwerke» mit Kompetenz und Kraft aufgebaut werden. So wirkt «problem talk» als Kompetenz- und Lösungs- Verstärker. Und ein wesentlich mehr würdigendes Pacing für die (K) und ihr Bedürfnis nach «problem talk» entsteht automatisch auch noch dabei.

Diese Art des Vorgehens ist übrigens in hypnosystemischer Traumatherapie-Arbeit seit vielen Jahren obligatorischer Standard und hat sich von dort auf praktisch alle relevanten Traumatherapie-Konzepte ausgebreitet.

2.) Ausgehend von den Multiplizitäts- Konzepten der hypnosystemischen Arbeit und der Ego-state- Konzepte, frage ich mich schon seit vielen Jahren nicht mehr «Was hört der K von dem, was ich ihm ge-rade sage». Immer aber frage ich mich «Wer in ihm hört was von dem, was ich gerade sage». Denn wenn jemand noch mit seinem leidvollen Problemerleben assoziiert ist, geht damit typischerweise eine massiv einschränkende und belastende «Problem- Trance» einher, in der der K viel zu wenig Zugang zu seinen vielfältigen impliziten Kompetenzen hat. Dann, aus dieser «Problem- Trance» heraus, kann er die Wunderfrage viel weniger effektiv beantworten und ist dissoziiert von vielen Kompetenz- Erfahrungen in seinem Repertoire (diese sind dann amnesiert). Dann kann auch die Wunderfrage, auch wenn man sie noch so differenziert und sorgsam stellt, manchmal sogar Stress auslösen und einfach nur ineffektiv beantwortet werden.


Deshalb wird bei uns (ambulant und ebenso stationär) jeder K zunächst eingeladen, dass wir eine optimale, sichere Beobachter- Position aufbauen, die assoziiert ist mit einem flexiblen Überblick mit «Rückenstärkung», Kraft und klarer Erinnerungsfähigkeit. Und dann erst fokussieren wir auf die Wunderfrage. Es ist immer wieder berührend und beeindruckend, wie bereichernd anders dann sowohl die Wunderantworten als auch Schilderungen von «Erfolgs- Episoden» in der Vergangenheit (zieldienliche «Ausnahmen vom Problem» etc.) auftreten.

Mit den beschriebenen, im Grunde sehr einfachen (was nicht heißt, leichten) Interventionen kann so jeder Gesprächsablauf, ob problem- fokussierend oder lösungsfokussierend, permanent utilisiert werden als Kraft gebendes, Kompetenz- und Kohärenz- Erleben (siehe Salutogenese) stärkendes Kooperieren mit wechselseitiger Achtung, Spaß, Neugier und viel Erleichterung nicht nur für die K, sondern auch für die TherapeutInnen/ BeraterInnen.

Probieren Sie es mal aus, wenn Sie Lust haben, denn eigenes Erleben überzeugt ja ohnehin immer mehr als alles Geschriebene, nicht wahr?

Dr. Gunther Schmidt

Literatur:

  • Grawe, K. (2004): Neuropsychotherapie. Göttingen Hogrefe
  • Hüther; G., Storch, M., Cantieni, B., Tschacher, W. (2006):
  • Embodiment- Die Wechselwirkung von Körper u. Psyche verstehen und nutzen, Huber, Bern
  • Schmidt, G. (2004): Liebesaffären zwischen Problem und Lösung- hypnosystemische Konzepte für schwierige Kontexte, Carl-Auer-Systeme-Verlag, Heidelberg
  • Schmidt, G. (2005): Einführung in die hypnosystemische Therapie und Beratung, Carl-Auer-Systeme-Verlag, Heidelberg
  • G. Weber, G. Schmidt, F.B. Simon (2005): Aufstellungsarbeit revisited- nach Hellinger, Carl-Auer-Systeme-Verlag, Heidelberg
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