Das wilob Modell begründet unser professionelles Handeln auf vier Ebenen:
- Das Modell macht wertvolle Aussagen zur Beziehungsgestaltung und zur Haltung zwischen Therapeut:in und Klient:in.
- Im zweiten Kreis folgen die methodischen Schritte, die in einer professionellen Beratung gemacht werden müssen: Die Bestimmung der Ausgangslage => gefolgt von der Ressourcenanalyse => der Zieldefinition => und der Interventionsplanung.
- Im dritten Kreis wird geklärt, was ich als Therapeut:in tun muss, damit es gelingt, einen Selbstorganisationsprozess anzuregen. Dr. Schiepek benannte hier die generischen Prinzipien, damit wichtige Veränderung passiert.
- Zur Vervollständigung gibt das Modell auch noch wider, was in der Psychotherapie (nach Klaus Grawe) wirkt .
Das wilob Modell wurde 2018 von Ursula Fuchs, Gründerin der wilob AG und Leiterin der Praxis der wilob AG, entworfen und orientiert sich an den systemischen Grundsätzen.
1. Therapeutische Haltung
Die Haltung und Beziehungsgestaltung steht beim wilob Modell im Zentrum. Das heisst das Konzept der Kundigkeit ist zentral, was bedeutet:
- jede Person mit der ich zu tun habe, ist kundig und
- kompetent für ihre Probleme, ihre Fragen, ihre Lösungen, für die Definition des Arbeitsauftrages, für die Gestaltung der Zusammenarbeit, für die Idee der Auflösung
Unter Kundigkeit in der Therapie verstehen wir folgendes:
- Zusammentreffen von zwei Expert:innen-Systemen
- Gleichberechtigung aller am Interaktionsprozess Beteiligten im Hinblick auf das Konstruieren von Wirklichkeiten
- Gleichwertigkeit, unerschrockenes Fragen
Als Basiswerk betrachten wir hier den Artikel von Jürgen Hargens, erschienen in der Zeitschrift für systemische Therapie 11(1): 14-20, 1993.
2. Ausgangslage / Ressourcenanalyse / Zieldefinition / Intervention
In einem ersten Schritt geht es um das Erfassen der Ausgangslage. Es sind Fragen zu klären wie:
- wer?
- Was ist los?
- Worum geht es?
- Informationen beschaffen/einordnen
Das heisst wir prüfen das Klientensystem, den Kontext/Umfeld, soziale, ökonomische, rechtliche Aspekte und den Überweisungskontext. Bei der Klärung der Ausgangslage geht es darum zu prüfen:
- Was will Klientensystem anders/ändern?
- Wofür soll die Beratung ein nützliches Mittel sein?
- Erwartungen werden geklärt
- Auftragsklärung, was ist der Auftrag des Klienten – erfüllbar oder doch nicht?
- Arbeitsbündnis – wer leistet welchen Beitrag
Die Planung und Steuerung des Beratungsprozesses sind die nächsten Schritte:
- Handlungsmöglichkeiten suchen und bewerten
- Welche Mittel helfen in Richtung Ziel
- Welche Ressourcen sind bereits vorhanden, welche sind zu stärken, auszubauen, usw.
- Schritt um Schritt in Richtung Ziel
Steuerung des Beratungsprozesses:
- Stetiges Anpassen an sich verändernde Gegebenheiten
- Vorgehen und Wirkung (Auswirkungen) beurteilen
- Nutzen für Klientensystem, Umfeld Gesellschaft evaluieren
- Reflexion mit Hilfe der generischen Prinzipien
- Evaluieren und reflektieren im Fokus
3. Generische Prinzipien nach Schiepek
Generische Prinzipien sind ein Erklärungsmodell für Veränderungsprozesse, basierend auf Systemtheorie und Synergetik. Sie gehen der Frage nach: Wie entsteht Veränderung in selbstorganisierten Systemen? Die Lehre vom Zusammenwirken, Synergetik (vgl. Haken/Schiepek 2006), zeigt, wie aus der nichtlinearen Wechselwirkung zwischen Systemelementen Synchronisationseffekte und damit Strukturen entstehen. Und diese als „Selbstorganisation“ bezeichnete spontane Entstehung erfolgt unter bestimmten Bedingungen – dichte Wechselwirkung zwischen den Systemelementen, Nichtlinearität in diesen Wechselwirkungen, Offenheit, resp. Energieimport und Energiedurchsatz von aussen – von selbst aus den komplexen Möglichkeiten eines Systems heraus. Überall, wo diese Bedingungen der Wechselwirkung, der Nichtlinearität und der energetischen Offenheit vorliegen, kann von der Möglichkeit spontaner Ordnungsbildung ausgegangen werden. Es gibt eine Vielfalt von psychologischen Phänomenen, die durch selbstorganisierte Ordnungsbildung auffallen, z B. motorische Koordination, visuelle Wahrnehmung, das Auftreten von kognitiven, affektiven und behavioralen Mustern. Von besonderer Relevanz ist das Paradigma der Selbstorganisation im Bereich von Psychotherapie.
Synergetisches Prozessmanagement als Referenzrahmen einer allgemeinen Beratungstheorie
Das Synergetische Prozessmanagement als Variante der Systemtheorie rekurriert insbesondere auf die Chaostheorie und die Synergetik als Theorie der Selbstorganisation sowie empirische Befunde der Psychotherapieforschung (vgl. Haken/Schiepek 2006). Hieraus werden sog. generische, d.h. die Selbstorganisation fördernde Prinzipien abgeleitet.
Die Rolle des Therapeuten besteht demzufolge darin, durch die Realisierung der generischen Prinzipien Selbstorganisationsprozesse zu fördern. Generische Prinzipien ermöglichen den Einsatz unterschiedlicher Methoden und Verfahren aus verschiedenen Therapieschulen. Es geht darum den generischen Prinzipien zu dienen um Selbstorganisationsprozesse anzuregen, Veränderungsprozesse zu initiieren.
Die von Schiepek formulierten acht generischen Prinzipien bilden in diesem Sinne Grundlage für unsere Fallkonzeption.
- Stabilitätsbedingungen schaffen
- Muster des relevanten Systems identifizieren
- Sinnbezug herstellen
- Energetisierungen ermöglichen
- Fluktuationsverstärkungen anregen
- Synchronisation beachten
- Gezielte Symmetriebrechung ermöglichen
- Re-Stabilisierung gewährleisten
Siehe auch: Analyse der generischen Prinzipien nach Schiepek.
4. Die fünf Wirkfaktoren nach Grawe
Die Wirkfaktoren von Prof. Dr. Klaus Grawe sind in unserem wilob-Therapiemodell handlungsleitend. Sie widmen sich der Frage: WAS wirkt?
Die Wirkfaktoren knüpfen an die Stärken der Klienten an (Ressourcenaktivierung), aktivieren belastende Probleminhalte (Problemaktivierung), fordern ein vertieftes Selbstverständnis (motivationale Klärung) und ermöglichen positive Bewältigung. Die fünf Wirkfaktoren nach Grawe lauten:
- Therapeutische Beziehung
- Ressourcenaktivierung
- Problemaktualisierung
- Motivationale Klärung
- Problembewältigung
Grundsätzliche Überlegungen zum Modell
Die Psychotherapie muss wissenschaftlich, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Insofern liegt der Fokus eindeutig auf einer Linderung der psychopathologischen Symptomatik. Methodisch arbeiten wir mit dem wilob Modell systemisch (mit Fokus auf Ressourcenorientierung), was heisst, dass wir uns an den systemischen Grundsätzen orientieren.
Unser Psychotherapieansatz ist in grossem Mass sprachbasiert, d.h. dass unsere Sprachwahl sorgfältig zu erfolgen hat, da bereits das diagnostische Explorieren einen therapeutischen Effekt aufweisen kann. In diesem Sinne vermischt sich diagnostische Exploration und Therapie und es ist klar, dass die Prozesse nicht linear sondern zirkulär erfolgen.
Gemäss von Schlippe und Schweizer (2016) können sich krankheitsbezogenen Interaktionen auf mehreren Systemebenen zugleich abspielen:
Auf der biologischen Ebene (das gelebte Leben) interagieren Gene, Hormone, Nervensignale, Bakterien oder andere Elemente in einer Weise miteinander, die von Laien oder Experten als „krankhaft“ diagnostiziert werden.
Auf der psychischen Ebene des „erlebten Lebens“ nimmt ein Mensch zahlreiche Gefühle („mir ist übel“, „mir tut es weh“), Gedanken („mein Herz schlägt eigenartig schnell“), Selbstgespräche („ich sollte nicht immer….“), erinnerte Träume, Problemtrancezustände („mir gelingt nie etwas“) und Lösungstrancezustände wahr („ich werde es schwungvoll anpacken“). Das Ergebnis dieser Interaktionen verschiedener, oft auch widersprüchlicher Gedanken und Gefühle kann das Selbsterleben sein, krank zu sein.
Auf der sozialen Ebene des „erzählten Lebens“ wird aus der Fülle dieser biologischen und psychischen Prozesse nur derjenige Ausschnitt sichtbar, der in Kommunikationen einfliesst. Dazu gehört alles, was dieser Mensch verbal in Gesprächen, Reden oder Briefen sowie nonverbal in Mienenspielen und Gesten ausdrückt – genauer gesagt: alles, was Laien beobachten und medizinische Fachleute mit und ohne diagnostische Geräte festzustellen vermögen.
Folgende Grundannahmen, Erkenntnisse haben zum wilob Modell geführt:
=> Ob einer Störung auf einer dieser drei Systemebenen Krankheitswert zugeschrieben wird – ab welcher Intensität, welchem Grenzwert, welcher Symptomkombination, welcher Dauer, ist oft nicht naturgegeben, sondern Ergebnis sozialer Aushandlung.
=> Wie alle Psychotherapie spielt sich auch systemische Psychotherapie „nur“ auf der Ebene der Kommunikation ab – der Kommunikation zwischen Patient und Therapeut, bzw. bei Mehrpersonentherapien auch zwischen weiteren Menschen.
=> Wie alle Psychotherapie geht sie davon aus, dass veränderte Kommunikationen auch Veränderungen im psychischen und biologischen System, zwar nicht unmittelbar „umzusteuern“, aber doch in einer positiven Weise “anzuregen” vermag. Gedanken und Gefühle lassen sich wie Neurotransmitter und Hormone durch soziale Interventionen von aussen nicht direkt steuern, aber indirekt anregen und initiieren.
=> Die Fixierung des Blickes auf das, was krank ist, kann im Sinne eines Tunnelblickes die Wahrnehmung durchaus vorhandener Ressourcen im Klientensystem blockieren.
=> Ein grosser Teil systemischer Therapiepraktiken, besonders bei chronischen Erkrankungen, widmet sich der „Verflüssigung“ und „Infragestellung“ solcher Krankheitskonzepte, vor allem dann, wenn diese eher als Teil des Problems, denn als Teil der Lösung erscheinen
=> Wir betrachten Therapie als eine Möglichkeit, Selbstorganisationsprozesse zu injizieren.
=> Wir erachten uns (als Therapeut:innen) demnach als Helfer.innen, Selbstorganisationsprozesse anzuregen und gehen davon aus, dass wir nur unterstützen, nicht aber für den betroffenen Menschen handeln können.
=> Wir betrachten Menschen als autonom, als selbstorganisiert und gehen auf Grund des Konzeptes der Autopoiese (Maturana und Varela) davon aus, dass wir von aussen nicht zielgenau instruieren können. Unsere Interventionen erachten wir als Versuche, auf Resonanz bei der Klientel zu stossen und Entwicklungsprozesse anzuregen.
=> Damit Veränderungsprozesse durch Psychotherapie angeregt werden können, müssen einige Bedingungen erfüllt werden. Als übergeordnete Metatheorie dienen uns die generischen Prinzipien (Schiepek und Haken, 2006), welche die Grundlage der Fallkonzeption darstellen.
=> Und wenn in der Psychotherapie den generischen Prinzipien gedient wird, werden ebenfalls die Wirkfaktoren nach Grave gelebt.
All diese Erkenntnisse haben zum wilob Model geführt.
Literatur:
Grawe, K. (2005). Empirisch validierte Wirkfaktoren statt Therapiemethoden. Report Psychologie, 7(8), 311.
Haken, H./Schiepek, G. (2006): Synergetik in der Psychologie. Selbstorganisation verstehen und gestalten. Göttingen u.a.: Hogrefe Verlag.Lieb, H. (2013). Störungsspezifische Systemtherapie. Konzepte und Behandlung. Heidelberg: Carl-Auer.
Hargens, J. (1993). Kundin, Kundige, Kundschafterin, Zeitschrift für systemische Therapie 11(1): 14-20.
Rufer, M. (2013). Erfasse komplex, handle einfach: Systemische Psychotherapie als Praxis der Selbstorganisation – ein Lernbuch. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
von Schlippe, A., & Schweitzer, J. (2016). Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung I. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
von Schlippe, A. & Schweizer, J. (2014). Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung II: das störungsspezifische Wissen (Vol. 2). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Autorin:
Ursula Fuchs
- Eidg. anerkannte Psychotherapeutin
- Systemisch-ressourcenorientierte Therapeutin für Einzelne, Paare und Familien (Systemis)
- MAS Supervision und Organisationsberatung aeB/PHSG
- Supervisorin & Coach & Organisationsberaterin (BSO)
- ZRM®-Trainerin
- PSI-Kompetenzberaterin
- Master-Practitioner NLP
- Mediatorin SDM
- ehemalige Dozentin an versch. Hochschulen der Schweiz
- Begründerin / Leiterin wilob AG und wilob Praxis (www.praxis-wilob.ch)