Die Zeit rast. Der Sommer ist schon wieder vorbei, schon bald backen wir wieder Weihnachtskekse. Grund, um einen Blick zurückzuwerfen. Und Ursula Fuchs, CEO der wilob AG, zu fragen, was es in den vergangenen (über 23) wilob-Jahren für Wunder gab, welche Ziele erfüllt und auf welche Ressourcen vertraut wurden.
Das wilob bezeichnet sich als systemisch-ressourcenorientiertes Institut der Schweiz. Warum?
Die Vision war, aus dem wilob DAS lösungsorientierte Institut der Schweiz zu machen. Der Name systemisch-lösungsorientiert» kam, weil ich den Ansatz von Steve de Shazer als eine Entwicklung der systemischen Therapierichtung betrachte. Und zum guten Gedeihen vom wilob haben sicher einige Umstände beigetragen: Der LöA war neu in der Schweiz und gewann viel an Resonanz Und ich wurde von Vertretern, die sehr wichtig für die Verbreitung des löA in der Schweiz waren sehr unterstützt.
Dass der LöA viel positives Echo ernten konnte, liegt am Konzept selber:
- die Haltung
- der Wertschätzung gegenüber Kunden
- die Kundigkeit des Gesprächspartners
- und die verschiedenen Fragestellungen, welche KlientInnen helfen, ihre Ziele zu fokussieren.
All das hat mich ja selber angesprochen und immer wieder überzeugt.
Hat man irgendwann auch wieder genug, nur die Wunder- und Skalierungsfragen zu stellen?
Ja – weil es mir tatsächlich zu langweilig im Beratungsgespräch wäre, wenn ich immer nur die gleichen Fragen stellen dürfte.
Nein – weil die beiden Leitplanken des löA – Wertschätzung und Zielorientierung – es erlauben, auch andere Fragen zu stellen, auch nach dem Problem zu fragen und andere Therapieansätze in die Arbeit zu integrieren, z.B. hynosystemische Konzepte, narrative Geschichten, Psychodrama, usw..
Also sucht man die Ergänzung, wenn der Klient wirklich über das Problem reden will?
Es gibt Klienten, die am Problem festhalten wollen. Dafür gibt es Gründe, z.B. dass eine Veränderung noch schwieriger wäre als das Festhalten am Gelebten.
Meines Erachtens gehört es zur Auftragsklärung, was der Klient will in der Beratung, resp. wozu Beratung ein gutes, nützliches Mittel sein soll. Vielleicht hilft es ja auch, einmal so richtig über all die Schwierigkeiten im Leben klagen zu können. Und dann «punkten» wir wohl kaum mit unseren lösungsorientierten Fragen.
Es geht immer um Zielorientierung und Wertschätzung; nicht um Krankheitsbilder. Heisst das, auch die (Hirn-) Forschung wird künftig keine Veränderung in den Praxisalltag bringen?
Nehmen wir z.B. eine depressive Person. Als gesichert gilt, dass bei jeder bekannten Form der Depression das serotonale und/ oder noradrenale System gestört ist, das heisst, der Spiegel dieser Neurotransmitter ist zu hoch oder zu niedrig, oder die Reizbarkeit der Synapsen ist verändert. Trotz dieser nachweisbaren neuronalen Unterschiede zu einer Person ohne Depressionen zeigt auch der Depressive sich nicht 24 h gleich depressiv. Lösungsorientiert vorgehen würde nun heissen: «Wenn sich das depressive «Verhalten» weniger zeigt, was macht dann jemand anders?» Die Störung des Systems ist nicht zu verändern, d.h. es geht also darum einen möglichst optimalen Umgang zu finden mit diesem Umstand. Also arbeiten wir mit der Restriktion. Die Frage sind also Copingfragen wie z.B. «Wie schaffen sie das jeden Tag?» Weiter geht es darum, Ressourcen in Takt zu bringen. In diesem Sinne wird die Forschung zwar erklären», aber schlussendlich nichts ändern! Ich glaube, auch die nächsten Jahre geht es weiterhin um Wertschätzung und Zielorientierung.
Copingfragen?
Ja, wir unterscheiden viele verschiedene Fragetypen im lösungsorientierten Interview.
- „Woran werden Sie erkennen, dass Sie Ihr Ziel erreicht haben?“
- „Woran werden andere erkennen, dass Sie das Ziel erreicht haben?“
- „Was wird dann anders sein?“
- „Angenommen, während Sie nachts schlafen, passiert ein Wunder und Sie wachen morgens auf und Ihr Problem/ Ihre Schwierigkeiten sind gelöst, ohne dass Sie dies bewusst gemerkt haben. Woran werden Sie am nächsten Tag (und in den folgenden Wochen) merken, dass das Wunder passiert ist?“
- „Wenn ich in dieser Zeit zufällig mit der Videokamera anwesend wäre, was ist dann auf dem Film zu sehen?“
2. „Ein bisschen Wunder“-Fragen
- „Wann war es bisher irgendwann schon einmal ein bisschen wie nach dem Wunder?“ „Was haben Sie damals anderes getan?“
- „Was müsste passieren, damit es ab jetzt häufiger mal ein bisschen wie beim Wunder werden kann?“
- „Wann tritt das Problem / beklagte Verhalten nicht auf?“
- „Wann ist die Situation etwas besser?“
- „Ist es manchmal irgendwie anders und das Problem tritt weniger oder überhaupt nicht auf?“
- „Was ist anders, wenn das Problem nicht auftritt?“
- „Was tun Sie dann anders, wenn die Ausnahmen bzw. das „bisschen Wunder“ geschehen?“
- „Was können andern / Sie dann tun / sehen oder woran können andere dies erkennen?“
- „Was tun andere Beteiligte auf andere Weise, wenn dies auftritt?“
- „Wie genau sind die Dinge dann unterschiedlich?“
- „Was müsste passieren, damit dies öfter passiert?“
- „Was können die Einzelne tun, damit diese Dinge öfter passieren?“
Erste Schritte zur Veränderung
- „Stellen Sie sich bitte ein Skala von 0 – 10 vor. 0 soll den schlechtesten Zustand darstellen, den Sie vor Beginn der Beratung hatten. 10 dagegen soll bedeuten, dass das Problem gelöst ist, wie immer es mit Ihren Mitteln gelöst werden kann, wo befinden Sie sich heute?“
- „Nach unserer Erfahrung ändern sich die Dinge manchmal in der Zeit zwischen Anmeldung und erstem Gespräch zum Besseren. Nehmen wir an, bei einer Skala von 0 – 10 waren Sie zum Zeitpunkt der Anmeldung bei 0, wo sind Sie im Moment?“
- „Angenommen, wir haben für Sie eine Aufgabe, ein Experiment, welches für Sie hilfreich und interessant ist. Und 0 soll bedeuten, dass Sie nur einfach abwarten wollen – und 10 soll bedeuten, dass Sie bereit sind, alles auf der Welt in Bewegung zu setzen – wo ordnen Sie sich im Moment ein?“
- „Frau A, wie schätzen Sie auf einer Skala von 0 – 10 im Moment Ihre Beziehung zu Herrn B ein?“
- „Wie schätzen Sie, Herr B, Ihre Beziehung zu Frau A ein?“
- „Wie erklären Sie sich, dass Ihr Partner, Mitarbeiter, Chef oder Kollege die Dinge optimistischer wahrnimmt? Worauf baut er/sie dabei?“
- „Welche guten Seiten kann er/sie wahrnehmen, die Sie zurzeit (noch) nicht sehen können?“
- „Wo stehen Sie jetzt – zwischen 0 und 10?“
- „Wie sind Sie dorthin gekommen?“
- „Was wird der nächste Schritt sein?“
5. Coping-Fragen
- „Wie haben Sie das bisher alles ausgehalten?“
- „Woher hatten Sie die Energie, Kraft, Hoffnung?“
- „Wer oder was war dabei am meisten hilfreich?“
- „Worauf können Sie auch weiterhin aufbauen?“
Vielen Dank für das interessante Kurzinterview!
Ursula Fuchs ist Eidg. anerkannte Psychotherapeutin, Sozialarbeiterin FH, systemisch-ressourcenorientierte Therapeutin für Einzelne, Paare und Familien (Systemis), MAS Supervision und Organisationsberatung aeB/PHSG, Supervisorin & Coach & Organisationsberaterin (BSO), ZRM®-Trainerin, PSI-Kompetenzberaterin, Master-Practitioner NLP und Mediatorin SDM in eigener Praxis, langjährige Dozentin an der Hochschule Luzern, Soziale Arbeit; Begründerin der wilob AG und der Praxis der wilob AG.