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Ich vertraue darauf, dass die Leute ein besseres Leben wollen!

Insoo Kim Berg ist am 10.01.2007 gestorben. Gerne möchten wir euch hier ein Interview aus der Wunderantwort Nr. 6 mit ihr zur Verfügung stellen.

Yalom: Einige Leute würden deinen Ansatz kritisieren und behaupten, dass Klienten möglicherweise nicht bereit sind, jene Änderungen vorzunehmen. Sie fühlen sich niedergedrückt und hoffnungslos, und du sprichst über ein Wunder. Aber sie benötigen es doch, dass du verstehst, wie niedergedrückt und hoffnungslos sie sich fühlen. Wenn ich dich auf Videobändern sehe, bist du immer sehr optimistisch, sehr enthusiastisch. Aber einige Leute sagen, dass du viele Klienten triffst, die nicht so sind. Wie würdest du darauf reagieren?

Berg: Klienten beschweren sich nicht bei mir, dass ich sie nicht verstehe. Sie fühlen sich schon verstanden und gehört. Weil ich denke, wenn sie entscheiden, etwas gegen ihr Problem zu tun, erkennen sie bereits, dass, was auch immer sie z.Z. tun, nicht funktioniert. Wenn sie keine Hoffnung hätten, dass das Problem gelöst werden könnte – würde sie das nicht sogar stören? Sie müssen doch die Hoffnung haben, warum würden sie sich sonst die Mühe für eine Verabredung machen und dafür noch bezahlen?

Berg: Nein, ich denke, sie haben alle wichtigen Bausteine, aber sie wissen nicht, wie zusammensetzen. Mit mir zu sprechen, hilft ihnen herauszufinden, wie sie es zusammensetzen können. Nicht nur um die «Blaupause» zu kreieren, aber um zu wissen, welcher Baustein gehört hierher, welcher gehört dahin.

Yalom: Ist diese Philosophie nicht ähnlich einer humanistischen Therapie? Das die Leute zwar die Fähigkeit in sich haben, aber um zu wachsen, blockiert sie etwas.

Berg: Ja, ich denke schon. Ich bin mit humanistischen Annäherungen nicht befreundet. Aber mein Hintergrund ist sehr psychodynamisch.

Yalom: Die psychodynamischen Annäherungen neigen dazu, sich darauf zu konzentrieren, was der Grund dafür ist, dass es nicht wächst und blüht. Und dann versuchen sie, den Klienten zu helfen, jene Blockade zu entfernen. Das ist der Unterschied zu deiner Annäherung. Du konzentrierst dich nicht auf Hindernisse.

Berg: Richtig. Wir vertrauen darauf, dass die Klienten ein besseres Leben wollen.

Yalom: Du arbeitest mit sehr unterschiedlichen Klienten. Denkst du, dieses Vorgehen ist nützlich für alle Arten von Klienten? Oder denkst du, gewisse Klienten profitieren mehr von einer langfristigen Annäherung?

Berg: Steve hat in einem 2- tägigen Workshop darauf geantwortet. Ein Teilnehmer fragte: «Funktioniert das bei Leuten mit normalen Problemen?» Und Steve antwortete: «Nein. Es wird nie funktionieren bei normalen Problemen.» Das brachte mich zum Lachen. So ja und nein. Es hängt davon ab, was du meinst. Wenn die Leute meinen, sie fangen an glücklicher zu leben, dann nein. Es müssen sehr kleine, erreichbare, realistische Ziele sein. Ich nenne dir ein Beispiel mit einem Klient: «Du möchtest gern eine gute Beziehung haben. Also sag mir, was war gut an der Beziehung, die du hattest? Und wie hast du das geschafft?» Der Klient kann sagen, ich bin fähig eine Beziehung einzugehen, aber sie funktioniert nie lange gut. Ich würde antworten: «Also ist nur der mittlere Teil und das Ende der Beziehung schlecht. So ziehe los und tue den ersten Teil. Dann komme zurück und wir tun den zweiten Teil miteinander.» Warum sollte ich ihre Hand halten, wenn der Klient weiss, wie es am Anfang funktioniert?

Yalom: Warum nicht?
Berg: Warum würdest du das tun wollen?

Berg: Ich nehme an, eine Klientin kommt zu mir mit dieser Art von Problem. Ich würde sagen: «Wie weisst du, dass es eine positive Beziehung ist?» Und sie würde antworten: «Er würde kein Geld von mir stehlen.» Dann würde ich sagen: «Das tönt nett und angemessen. Und du weisst, wie du danach suchen musst?» Und sie sagt: «Ja – das traue ich mir zu». So versuche ich so minimalistisch wie möglich zu sein. Es braucht nur eine helfende Hand. Ich will nicht versuchen, ihre Persönlichkeit zu ändern, denn was ist an ihrer Persönlichkeit falsch? Die meisten Leute haben nur eine kleine Verschrobenheit da oder dort und es funktioniert nicht.

Yalom: In deiner Arbeit scheint die therapeutische Beziehung sehr wichtig zu sein.

Berg: Für was ist die Beziehung? Es ist, um deine Arbeit besser zu erledigen. Du bist nicht bezahlt dafür, um jemanden an dich zu binden. Warum sollten wir das tun? Man sollte nach draussen gehen und das Leben leben.
Yalom: Aber wenn du Langzeittherapie machst, bekommst du viele Daten, die dir helfen, den
Klienten besser zu verstehen.

Berg: Ja – das ist richtig. Aber du bekommst ja auch sehr viel Feedback von deinem persönlichen Umfeld, richtig?

Yalom: Deine Freunde, Nachbarn, Kollegen usw. erzählen es dir aber nicht so direkt, wie du es in der Therapie zu hören bekommst.

Berg: Aber die Leute lassen dich wissen, wenn du ein Esel bist. Sie laden dich z.B. nicht zum Mittagessen ein…
Yalom: Um zurück zu deinem Lebenswerk zu gehen. Was braucht es für Qualitäten, um ein reifer Therapeut zu werden?

Berg: Mache weiter so. Übe wie ein Pianist – Stunden um Stunden um Stunden. Wir übten von morgens um 9 Uhr bis abends um 22 Uhr. Wir brachen zusammen und starteten am nächsten Morgen wieder neu.
Wieder und wieder.

Yalom: Wie hast du deine Lebensweisheit und -klugheit erreicht, wie bist du eine bessere Therapeutin geworden?

Berg: Oh Gott. Du nimmst an, dass ich Klugheit erworben habe?

Yalom: Sicher. Also wie bist du eine bessere Therapeutin geworden als 20 Jahre davor?

Berg: Als ich jünger war, wollte ich, dass ich von den Leuten akzeptiert werde wegen meiner Erfahrung. Ich stellte fest, dass ich noch viel lernen muss. Dass ich lernen muss, die Leute sich selbst zu sein und sie mit ihren Ideen zu lassen. Dass ich noch lernen muss, die Leute anzunehmen, so wie sie sind. Ich bin immer noch am Lernen – die ganze Zeit.

Yalom: Weniger vor dir überzeugt zu sein, macht dich zu einem besseren Therapeuten?

Berg: Vielleicht. Ich denke, das ist eines der Kennzeichen von unserem Beruf. Die anderen Personen zu akzeptieren – ob sie richtig liegen oder nicht. Und das ist ein lebenslanges Lernen!

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