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Hat der Anstieg von affektiven Störungen bei jungen Frauen vielleicht auch mit der Nutzungsdauer von Social Media zu tun?

Wir haben es diese Tage gelesen: Die Zahl der stationären Spitalaufenthalte wegen psychischer Störungen ist gemäss dem Bundesamt für Statistik bei Mädchen und jungen Frauen (10 – 24 J.) in den Jahren 2020 und 2021 um 26 Prozent gestiegen! Damit sind psychische Störungen die häufigste Ursache für eine Hospitalisierung bei dieser Altersguppe. Zu beachten: Neben den Spitaleinweisungen nahmen auch die ambulanten psychiatrischen Leistungen im Spital um 19 Prozent in derselben Altersgruppe zu. Grund für die Einweisungen waren bei den Mädchen und Frauen vor allem affektive Störungen, darunter laut BFS hauptsächlich Depressionen.

Erklärt wird der Anstieg primär mit der Epidemie. Eine Studie aus China untersuchte die geschlechtsspezifischen Unterschiede bei Depressionen und Angstzuständen und erforschte die damit verbundenen Faktoren während der COVID-19-Epidemie unter chinesischen Nutzern sozialer Medien. Die Ergebnisse zeigen, dass die Prävalenz von Depressionen und Angstzuständen in der chinesischen Bevölkerung während der COVID-19-Epidemie zunahmen und dass Frauen stärkere Angstsymptome aufwiesen als Männer.

Unseres Erachtens zu beachten ist, dass während der Isolation die Chinesen ca. 7,6 Stunden pro Tag (53,2 Stunden pro Woche) in sozialen Medien verbrachten (im Vergleich dazu waren es 2019 27,9 Stunden pro Woche!). Das stellt sich die Frage, inwiefern der Anstieg von affektiven Störungen bei jungen Frauen vielleicht auch mit der Nutzungsdauer von Social Media zu tun haben könnte. Gerne möchten wir dieser Frage nachgehen und suchten das Gespräch mit Mag. Stefan Geyerhofer:

wilob: Stefan, was sagt du dazu?

Stefan Geyerhofer: Wir haben einen ähnlichen Anstieg von ambulanten und stationären Vorsprachen in dieser Altersgruppe (vor Allem Ängste, Zwänge, Depression, Essstörungen, sozialer Rückzug, Schulverweigerung und Suchterkrankungen durch die lange online Präsenz) bei gleichzeitig steigendem Personalmangel in der Versorgung. Es mussten bereits mehrere Stationen geschlossen werden, die den Betrieb nicht mehr aufrechterhalten konnten. Die Regierung hat Notmassnahmen und Programme zur besseren ambulanten Unterstützung (mobile Psychiatrie und Therapie, Fit durch die Krise usw.) auf Schiene gebracht.

wilob: Kannst du noch was dazu sagen, wie der Zusammenhang mit Social Media sein könnte? Es wird immer mit Covid in Zusammenhang gebracht. Und Covid brachte die Isolation und gleichzeitig mit sich, dass man mehr Zeit auf SoMe (TikTok, Instagram usw.) verbracht hat. Dort sieht man die heile Welt – Filter werden benutzt, es wird vieles schöngeredet. Könnte nicht im Grunde der erhöhte SoMe Konsum hauptsächlich für den Anstieg verantwortlich sein? Und Covid hat einfach dazu geführt, dass man SoMe noch mehr genutzt hat?

Stefan Geyerhofer: Man sollte noch vorsichtig sein, mit direkten Zusammenhängen. War es die vermehrte Nutzung von SoMe, von online spielen, war es der Rückzug und die Isolation, waren es die Ängste? Schwer zu sagen, was wie zu affektiven Störungen beigetragen hat. Es wird noch dauern, bis wir gute Studien dazu haben. Klar ist, dass affektive Störungen oft einhergehen mit den sich verbreitenden anderen „Störungen“, wie Ängste, Zwänge, Essstörungen und dem Verlust realer sozialer Kontakte (Co-Morbidität) und es ist sicher auch so, dass die Pandemie und der folgende Krieg auch direkt aufs Gemüt schlagen. Dazu kommen die größeren Auseinandersetzungen in Familien durch die ungewohnte, lange Nähe, die Überforderung vieler Eltern und die grössere Aggression zu Hause. Also sollten wir aufpassen und die auftretenden Beobachtungen nicht nur und nicht direkt dem SoMe Konsum zuzuschreiben. SoMe hat vielen Kids auch geholfen oder sie gerettet, als sie nicht raus durften!

wilob: Danke Stefan für deine interessanten Gedanken dazu!

Was ist Ihre Meinung dazu? Wir freuen uns auf den weiteren Austausch!

Stefan Geyerhofer ist Klinischer Psychologe, Gesundheitspsychologe, Psychotherapeut (Systemische Familientherapie), Systemischer Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut (Weiterbildungsbestimmungen des BMG), Lehrtherapeut und Lehrsupervisor in der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Systemische Therapie und Systemische Studien (ÖAS), Lehrbeauftragter an der Lasf, in der ÖAP, an der Universität Wien, am WILOB (Lenzburg, CH) und am Centro die Terapia Strategica in Arezzo (Italien). Er ist Mitbegründer des Instituts für Systemische Therapie (IST) in Wien und veranstaltet Seminare und Workshops zu Themen der Psychologie, Psychotherapie, Systemischen Therapie und Familientherapie in Europa, den USA und Japan.

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